Auf vielfachen Wunsch unserer Community haben wir das Thema ZEP aufgearbeitet und zeigen in diesem Beitrag auf, wie man einen „Zentralen Erdungspunkt“ in elektrischen Anlagen richtig umsetzten kann. Bevor wir in das Thema einsteigen, müssen wir erst etwas klarstellen🧐:
- Bei Erdungskonzepten mit einem ZEP geht es in ersterer Linie um Objekte mit betriebseigenen Energiequellen/Transformatoren wie zum Beispiel: Industriebauten, Grosse Zweckbauten, Data Centers usw. Ein „Zentraler Erdungspunkt“ kann im üblichen Schweizer Ortsnetz nicht umgesetzt werden. Grund: Der PEN-Leiter wird Verteilnetz mehrfach geerdet.
- Wenn es um den ZEP geht, dann scheiden sich die Geister. Die Normen sind hierzu schwammig und teilweise umstritten. Die Umsetzung ist oftmals Interpretationssache. Um eine saubere Funktion des ZEP’s sicherzustellen, ist es daher hilfreich wenn man die Physik dahinter versteht. Herr Kirchhoff und die Knotenregel lässt grüssen 😉.
- Der Netzaufbau und die Betriebsart sind entscheidend. Insbesondere ist dabei folgendes zu beachten:
– Parallelbetrieb von mehreren Transformatoren/Erzeugungsanlagen oder nur Revisionskupplung
– Pohlzahl der Schaltgeräte
Grundlagen zu vagabundierenden Strömen
Um die Funktion des ZEP zu erläutern, werfen wir einen kurzen Blick auf die Problematik der „vagabundierenden Ströme“. In der untenstehenden Animation 1 ist ersichtlich wie eine Mehrfacherdung des PEN-Leiters vagabundierende Ströme verursachen kann. Es handelt sich dabei um Neutralleiterströme, welche sich im Erdungssystem ausbreiten und EMV-Probleme verursachen können.

Mit dem Einsatz einer zentralen Erdungspunktes kann die Entstehung vagabundierender Ströme verhindert werden.
Was ist ein zentraler Erdungspunkt (ZEP)?
Um die Frage zu beatworten, lohnt es sich den Begriff ZEP mal etwas genauer zu definieren. Definition ZEP👉: „Ein zentraler Erdungspunkt ist die einzige Schnittstelle in einem Niederspannungsnetz, welche den Sternpunkt der Quelle/Quellen mit dem Erdungssystem/Potentialausgleich verbindet.“
Was ist das Ziel eines zentralen Erdungspunktes (ZEP)?

Das Ziel eines zentralen Erdungspunktes ist es vagabundierende Ströme zu verhindern und sämtliche Schutzleiter- und Erdströme über einen einzigen Punkt zurück zum Sternpunkt zu führen. Dies hat zusammengefasst folgende Vorteile:
- Verhinderung von vagabundierenden Strömen im Erdungssystem und im Schutzleiter
- Bei mehreren Quellen: Verhinderung von Neutraleiterströmen in den Betriebserdungen
- Verbesserung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV)
- Mittels Stromwandler kann eine Differenzstromüberwachung einfach über den ZEP realisiert werden.
Wie setzt man einen zentralen Erdungspunkt (ZEP) richtig um?
Folgendes muss grundsätzlich bei der Umsetzung eines ZEP’s beachtet werden:
- Der PEN Leiter wird komplett isoliert und getrennt vom Schutzleiter aufgebaut. Es wird nur eine Verbindung zwischen PEN-Leiter und Erdungssystem erstellt.
- Die Schaltanlagen werden als TN-S Anlage gebaut. PE und N/PEN Schiene werden separat geführt
- Es dürfen nur noch TN-S Abgänge angeschlossen werden. Ein Anschluss von TN-C Verbraucher hätte zur Folge, dass der PEN an weiteren Stellen mit PE verbunden wird.
- Polzahl der Schaltgeräte muss beachtet werden. Grundsätzlich dürfen nach NIN 2020 Kapitel 4.6.1.2.1 keine Schalteinrichtungen im PEN-Leiter angeordnet werden.
Abhängig vom Netzaufbau müssen bei der Umsetzung eines Erdungskonzepts/Sternpunktkonzepts mit ZEP unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden. Im wesentlichen können die meisten Applikationen in die nachstehenden Standartanwendungen unterteilt werden:
- Variante: Zentraler Erdungspunkt mit einer Quelle/Transformator
- Variante: Zentraler Erdungspunkt mit zwei oder mehr Quellen/Transformatoren für Revisionskupplung
- Variante: Zentraler Erdungspunkt mit zwei oder mehr Quellen/Transformatoren für Parallelbetrieb und Inselbetrieb
1. Variante: Zentraler Erdungspunkt mit einer Quelle/Transformator
Die Umsetzung mit einer Quelle ist die einfachste und für viele Elektriker eine Standartapplikation. Hierbei ist es sinnvoll den ZEP möglichst nahe bei der Quelle anzuordnen. Meist erfolgt der Einbau des ZEP’s im Einspeisefeld (wie in Grafik 2) . PV-Anlagen welche nicht inselfähig sind und somit stets auf die Netzquelle und dessen Sternpunkt angewiesen sind, können ohne weitere Massnahmen in dieses Konzept integriert werden.


2. Variante: Zentraler Erdungspunkt mit zwei oder mehr Quellen/Transformatoren mit Revisionskupplung
Diese Konfiguration eignet sich für Anwendungen bei welchen das Kuppeln mehrere Quellen lediglich zum Revisionszweck angedacht ist und somit nur ein kurzeitiger Parallelbetrieb erfolgt. Die Netze werden im Normalbetrieb (nicht gekoppelt) komplett galvanisch getrennt. Um eine saubere Trennung zu erreichen muss der Kuppelschalter zwingend 4-polig ausgeführt werden. Da es sich nun um getrennte Netze handelt, kann pro Netz ein netzeigener ZEP eingesetzt werden. Im Falle der Grafik 5 sind dies zwei Energiequellen mit je einem zentralen Erdungspunkt. Kleiner Nachteil: Im kurzeitigen Parallelbetrieb wird akzeptiert, dass es zu vagabundierenden Neutralleiterströmen kommen kann.

3. Variante: Zentraler Erdungspunkt mit zwei oder mehr Quellen/Transformatoren für Parallelbetrieb
Werden die Quellen konstant oder über einen längeren Zeitraum parallel betrieben, so muss ein einzelner ZEP für das ganze Netz erstellt werden. Gemäss NIN 4.4.4.4.6.2 muss bei solchen Mehrfacheinspeisungen die Verbindung der Sternpunkte als PEN-Leiter ausgeführt werden. Diese PEN-Verbindung (in der Grafik als PEN (N) gekennzeichnet) darf daher auch nicht geschalten werden. Kuppelschalter müssen daher zwingend 3 polig ausführt werden. Einspeiseschalter können weiterhin ohne Risiko 4-polig ausgeführt werden.

Was sagt die Normenwelt zum Thema ZEP ?
Im Ursprung steht das Bedürfnis an EMV-freundlicher Versorgungsnetzen. Dies Anforderungen können wir der NIN 2020 entnehmen. Zitat NIN 2020 Kapitel 4.4.4.4:
„Die Planer und Errichter der elektrischen Anlage müssen die nachfolgend beschriebenen Massnahmen zur Reduzierung der elektrischen und magnetischen Störungen auf elektrische Betriebsmittel berücksichtigen„
Für Mehrfacheinspeisungen können dann detailliertere Anforderungen entnommen werden. Zitat NIN 2020 4.4.4.4.6:
„Wie in der Figur dargestellt, darf zwischen dem PEN und dem PE nur eine Verbindung hergestellt werden.“
Die NIN definiert nun, dass die Verbindung der der Sternpunkte als PEN-Leiter ausgeführt werden muss. Zitat NIN202 4.4.4.4.6.2 Legende Figur 10:
„Der Leiter der die Sternpunkte der Transformatoren oder Generatoren untereinander verbindet, muss isoliert sein. Dieser Leiter hat die Funktion eines PEN-Leiters und muss entsprechend gekennzeichnet sein; jedoch darf er nicht mit dem Körper (eines elektrischen Betriebsmittels) der elektrischen Verbrauchsmittel verbunden werden und ein diesbezüglicher Warnhinweis muss am Leiter oder in seiner Nähe angebracht werden.“
Und genau hier liegt die Crux an der Sache!🤨 Denn es handelt sich bei dieser Sternpunktverbindung nicht um einen PEN-Leiter im klassischen Sinne. Gemäss Begriffsbestimmung ist der PEN-Leiter ein Leiter, der zugleich die Funktionen eines Schutzerdungsleiters und eines Neutralleiters erfüllt. Bei Mehrfacheinspeisungen mit ZEP hat dieser PEN-Leiter aber lediglich eine Neutralleiterfunktion und der Schutzleiter wird separat geführt. Oft wird daher in der Schweiz eine kombinierte Bezeichnung PEN(N) für die Sternpunktverbindung innerhalb der Schaltgerätekombination gewählt. Aber Achtung: Wie beim klassischen PEN-Leiter darf auch die PEN(N)-Verbindung bei den Kuppelschalter nicht geschalten werden.
Zitat NIN 2020 4.6.1.2.1:
„Im PEN-Leiter darf keine Schalteinrichtung angeordnet werden.„
In der Praxis besteht die Sternpunktverbindung aus verschiedenen Komponenten:
– Quellenzuleitung: Schienen-oder Kabelverbindungen zwischen Transformator/Generator und Schaltgerätekombination
– Sammelschiene innerhalb der Schaltgerätekombination
Müsste nun die Quellenzuleitung ebenfalls als isolierter PEN ausgeführt werden müssen, so müsste aufgrund des ebenfalls erforderlichen Schutzleiters zwei Leiter (PEN+PE) mit gelbgrüner Grundisolierung verlegt werden. Bei Einzelleiter besteht somit eine hohe Verwechslungsgefahr und Mehrleiterkabel mit zwei gelbgrünen Leiter sind nicht als Standardkabel verfügbar. Es ist somit naheliegend, dass die Quellenzuleitung als TN-S mit der üblichen Farbgebung/Bezeichnung umgesetzt werden.
Die Weisung Nr. 220 des Eidgenössisches Starkstrominspektorat ESTI zeigt mögliche Anschlussbespiele für Energieerzeugungsanlagen im prallelbetrieb und inselbetrieb auf.
Wie kann man den ZEP überwachen ?

Mit einem Differenzstrom-Überwachungsgerät (RCM) lassen sich Fehlerströme in einem geerdeten System identifizieren. Wenn die Anlage einen zentralen Erdungspunkt (ZEP) aufweist, können Fehlerströme oder Leckströme direkt am ZEP mithilfe eines geeigneten Stromwandlers gemessen werden. Die Multifunktionsgeräte PAC von Siemens können mit einem Zusatzmodul ausgestattet werden, das es ermöglicht, den ZEP zu überwachen, ohne zusätzliche Geräte installieren zu müssen.
Zusammenfassung
Für eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis empfehlen wir daher bei Mehrfacheinspeisungen (Variante 3) auf folgende Punkte zu achten:
- ☝ Bei Mehrfacheinspeisungen für Parallelbetrieb (Variante 3) darf nur ein ZEP verbaut werden.
- 🔍 ZEP an einem gut auffindbaren Ort innerhalb der Schaltergerätekombination anordnen. ZEP gut beschriften und mit einem RCM überwachen.
- 🔖 Sternpunktverbindung als PEN(N) bezeichnen und Schalttage in TN-S ausführen. PEN(N) Isoliert geführt.
- ⚡ PEN(N)-Leiter bei den Kuppelschalter nicht schalten. 3 Polige Schalter verwenden.
- 🛠 Quellenzuleitungen in TN-S ausführen.
Die untenstehende Tabelle 1 bietet eine Hilfestellung zur Wahl der richtigen Polzahl für die spezifischen Schalt-und Schutzgeräte.

Wir hoffen das dieser Beitrag bei der Umsetzung komplexerer Energieversorgungsanlagen hilft. Unser TIP Team der SIEMENS Schweiz AG unterstützt sie gerne bei der Konzeptionierung.
Kontakt TIP Siemens Schweiz AG: tip.support.ch@siemens.com
Autor

Sebastian Gerber
Head of Low Voltage
Siemens Schweiz AG
Smart Infrastructure
8047 Zürich, Schweiz